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Natur und Recht, 2001 Heft 7
zugesandt von Siegbert Mahal (IDA)
E-Mail: IDA-BV@t-online.de 

EG-Kommission: Die neue Wasserrahmenrichtlinie

hier veröffentlicht am 30.7.2001


Auswirkungen für Natura 2000

Aus: Natur und Recht, 2001 Heft 7

Die als eine bedeutende Erweiterung der Umweltschutzgesetzgebung begrüßte neue Wasserrahmenrichtlinie signalisiert ein fundamentales Umdenken hin zu einer nachhaltigen EU-Wasserschutzpolitik. Erstmals überhaupt wird der Schutz einer ganzen Reihe von aquatischen Ökosystemen in einer einzigen Richtlinie zusammengefasst. Die Mitgliedsstaaten sind ab nun angehalten, beim Schutz der Wasserressourcen eine globalere Vorgehensweise umzusetzen. Jene Zeiten, als Entscheidungen im Bereich des Gewässerschutzes an politischen und verwaltungstechnischen Grenzen scheiterten, sollen von nun an vorbei sein - ab jetzt müssen alle Beteiligten (einschließlich der Naturschützer) zusammenarbeiten, um auf der angemessensten Bezugsebene - nämlich der des Gewässereinzugsgebietes - ein kohärentes Maßnahmenpaket zum Gewässerschutz zu erstellen.

Insbesondere für den Naturschutz und für das Natura-2000-Gebietsnetz dürften die Konsequenzen der neuen Richtlinie bedeutend sein. Von nun an besteht nämlich eine klare Verbindung zwischen der FFH- und der Vogelschutzrichtlinie einerseits, und der neuen Wasserrahmenrichtlinie andererseits. Daraus ergibt sich, dass die Erfordernisse der beiden Naturschutzrichtlinien bei der Entwicklung von Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserqualität von nun an klar berücksichtigt werden müssen. Dies könnte zu einer Vielzahl von Verbesserungen führen: vor allem eine verschärfte Überwachung, aber auch der Möglichkeit, Natura 2000 in einen größeren räumlichen Kontext zu stellen und Planungen auf einer übergeordneten Ebene durchzuführen.

Warum eine Rahmenrichtlinie?

Die Entwicklung einer Europäischen Gesetzgebung zum Wasserschutz ist eigentlich schon seit 1975 im Gespräch. Bis 1995 waren mehr als ein Dutzend verschiedener Richtlinien zur Bekämpfung der unterschiedlichsten Formen der Wasserverschmutzung verabschiedet worden. Wenn daraufhin auch eine gewisse Verbesserung festgestellt werden konnte, so blieben die Gewässer in der EU weiterhin vielen Problemen ausgesetzt, Dies musste schließlich zu einem Umdenken führen. Ab 1997 gab es einen allgemeinen Konsens darüber, dass es an der Zeit war, eine umfassende und kohärente Wasserschutzgesetzgebung auf Ebene der Europäischen Gemeinschaft zu erstellen und zu verabschieden. Dies führte zum Vorschlag der Wasserrahmenrichtlinie, die nach Jahren zäher Verhandlungen schließlich am 23. Oktober 2000 angenommen worden ist.

Eine umfassende, umweltorientierte Zielsetzung

Die Richtlinie betrifft alle Gewässer innerhalb der Europäischen Union (Binnengewässer, Übergangsgewässer, Küstengewässer und Grundwasser). Sie zielt nicht nur auf die Vermeidung einer weiteren Verschlechterung, sondern auch auf den Erhalt und die Verbesserung des derzeitigen Zustandes. Das übergeordnete Ziel ist die Erreichung eines guten Zustandes für alle Gewässertypen bis zum Jahre 2015.

Die Richtlinie umfasst detaillierte Vorgaben zur Frage, wie festgestellt werden soll, ob dieser Erhaltungszustand erreicht ist. Im Falle der Oberflächengewässer (Flüsse, Seen, u.s.w.) orientiert sich die Definition des guten Zustandes an der Kombination ökologischer und des chemischer Qualitätsziele. Erstere werden anhand der Qualität des aquatischen Ökosystems hinsichtlich hydro-physikalischer, hydro-morphologischer und hydro-biologischer Kriterien (Artenzahl, Diversität, u.s.w) bestimmt, während letztere sich vor allem aus der Konzentration spezifischer Schadstoffe ableiten lassen. Ein Oberflächengewässer hat dann "einen guten Zustand"

erreicht, wenn die Resultate der oben genannten Analyse nur einen geringen aufgrund menschlicher Aktivitäten hervorgerufenen Störungsgrad aufzeigen (z. B. geringe Abweichungen in Zusammenstellung und Vielfalt des Phytoplanktons, der Makrophyten und des Phytobenthos, der benthischen wirbellosen Fauna oder der Fischfauna).

Im Falle des Grundwassers besteht die Verpflichtung zur Überwachung der wichtigsten Parameter (Sauerstoff, pH, Leitfähigkeit. Nitratgehalt ...). Sollte für einen der Schadstoffe eine signifikante und nachhaltige Erhöhung der Konzentration festgestellt werden, die auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen ist, sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, angemessene Maßnahmen zu ergreifen um diesen Entwicklungstrend umzukehren. Der "quantitative Status" des Grundwassers ist ebenfalls wichtig - d. h. wie groß die Wasserentnahme im Vergleich zur natürlichen Nutzung bzw. Erneuerung der Wasserreserve ist. Bezüglich des Grundwasserkörpers ist dann ein guter mengenmäßiger Zustand erreicht, wenn die Höhe der Wasserentnahme und der Verschmutzungsgrad keinerlei signifikante Schädigung bei den terrestrischen Ökosystemen ver-. ursacht, die vom Grundwasser unmittelbar abhängen.

In beiden Fällen dürfte die Richtlinie demnach einen bedeutenden positiven Effekt auf jene Feuchtgebiete und terrestrischen Lebensräume ausüben, die zu den aquatischen Ökosystemen in klarer Verbindung stehen. Es ist also nicht nur so, dass zwischen dem Wasserkörper und seinem ökologischen Zustand eine eindeutige Verbindung anhand der Biodiversität, der Struktur und der Funktionsfähigkeit hergestellt wird, sondern auch berücksichtigt, dass das Bedürfnis jener terrestrischen Lebensräume, die vom Wasserkörper abhängen, voll anerkannt und berücksichtigt werden muss. Darüber hinaus können die weitreichenden Überwachungsauflagen der Wasserrahmenrichtlinie einen wertvollen Beitrag zur Bestimmung des Erhaltungszustandes von Natura-2000 Gebieten liefern.

Die Arbeit auf der Ebene der Flussgebietseinheiten

Wie jedoch soll das Ziel eines "guten Erhaltungszustandes" in der Praxis erreicht werden? Die bedeutendste Neuerung der Wasserrahmenrichtlinie besteht sicherlich darin, dass nunmehr alle Entscheidungen auf der Ebene des Einzugsgebietes getroffen werden und nicht länger von administrativen oder politischen Grenzen beeinflusst sind. Der erste diesbezügliche Schritt ist die Zuteilung der einzelnen Fließgewässer zu sogenannten "Flussgebietseinheiten" (FGEs) - (ein Prozess, der in einigen Mitgliedsstaaten bereits umgesetzt wurde, z. B. in Frankreich). Quert ein Fließgewässer nationale Grenzen, dann besteht die Verpflichtung, eine internationale Flussgebietseinheit auszuweisen. Als nächster Schritt ist die für die Umsetzung der Richtlinie verantwortliche zuständige Behörde zu benennen. lm Fall grenzüberschreitender Gewässer gilt dann für die betroffenen Mitgliedsstaaten wiederum die Verpflichtung zur einer Koordination auf Ebene des gesamten Gewässereinzugsgebietes - gegebenenfalls unter Berücksichtigung bestehender internationaler Strukturen wie der Konventionen zum Schutz der Donau, der Elbe u. ä.

Im Anschluss daran folgt eine Phase der Bewertung und Informationserfassung der verschiedenen Gewässer innerhalb einer FGE mit dem Ziel, deren aktuellen Erhaltungszustand zu bestimmen. Dies wird ergänzt durch eine Analyse des menschlichen Einflusses, welche bestimmen soll, wie weit sich die verschiedenen Gewässer von ihrem ökologischen Optimalzustand entfernt haben. Darauf aufbauend gilt es, den Beitrag einer vollständigen Umsetzung der anderen existierenden EU-Richtlinien bei der Lösung der identifizierten Probleme zu berücksichtigen. Wenn die Vorgaben der elf bestehenden Richtlinien (einschließlich der Vogelschutz- und der FFH-Richtlinie) eine ausreichende Handhabe für eine effektive Lösung der Probleme bietet, kann anhand der Vorgaben dieser Richtlinien ein Maßnahmenkatalog erstellt werden, der zu einer Erreichung der gesteckten Ziele der Richtlinie bis zum Jahre 2015 genutzt werden soll. Anderenfalls sind die Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, ergänzende Maßnahmen zu ergreifen.

Die Erstellung eines Bewirtschaftungsplans für das Gewässereinzugsgebiet

Sämtliche im Rahmen dieses Prozesses gesammelten Elemente sollen anschließend bei der Erstellung des Bewirtschaftungsplans für das Einzugsgebiet verwendet werden. Dieser sollte die Resultate der durchgeführten Analysen, die Ziele und die innerhalb eines zeitlichen Rahmens vorgesehenen Maßnahmen beschreiben. Durch die Zusammenstellung aller für die Verwaltung einer FGE relevanten Informationen in einem einzigen Dokument soll die Aufgabe der gebiets- und sektorenübergreifenden Koordination erleichtert werden. Dieses Dokument setzt ebenfalls den Rahmen für die öffentliche Anhörung im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie - auch dies Ist ein neues Element der Rahmenrichtlinie.

Verbindungen zu Natura 2000

Wie wird Natura 2000 In der Wasserrahmenrichtlinie berücksichtigt? Wie bereits oben erwähnt wurde, gibt es innerhalb der Richtlinie eine Reihe spezifischer Vorgaben bezüglich der Schutzgebiete, so dass Natura 2000 nun tatsächlich als integraler Bestandteil der Richtlinie angesehen werden kann. Beispielswelse besteht die Verpflichtung, ein Verzeichnis der Schutzgebiete - insbesondere der Natura 2000 Gebiete - zu führen und regelmäßig auf den neuesten Stand zu bringen. Diese Schutzgebiete sollten ebenfalls, zusammen mit den Gewässern, auf Karten im Managementplan eingetragen werden.

Außerdem besteht die Verpflichtung, die negativen Einflüsse im Rahmen einer Prüfung der Auswirkungen menschlicher Tätigkeiten ("human impact analysis") zu bestimmen. Und die grundlegenden Maßnahmen, welche auf der Ebene des Einzugsgebietes vorgeschlagen werden, sollten auch jene einschließen, die für die Erfüllung der Vorgaben der FFH- und der Vogelschutzrichtlinie als erforderlich betrachtet werden. Dementsprechend sollte beispielsweise die Wiederherstellung eines Feuchtgebietes, wenn sie auch der Erreichung des Ziels eines guten Gewässerzustandes dient, im Maßnahmenprogramm aufgeführt werden.

Die Kostenbestimmung - Können Feuchtgebiete hilfreich sein?

Eine weitere Vorgabe des Bewirtschaftungsplans für das Flusseinzugsgebiet ist die Verpflichtung zur Erstellung einer wirtschaftlichen Analyse der Wassernutzung. Dies dient der Absicht, eine rationelle Diskussion über das Kosten/Nutzen Verhältnis möglicher alternativer Maßnahmen führen zu können - diesbezügliche Unterschiede können beträchtlich sein. Hier mag sich die Gelegenheit bieten, ökonomische Argumente für die Wiederherstellung von Feuchtgebieten ins Spiel zu bringen. Feuchtgebiete gehören nämlich nicht nur zu den produktivsten und "attraktivsten" Ökosystemen innerhalb der EU, sondern sind auch für ihre positive Rolle bei der Wasseraufbereitung und als Rückhaltebecken bei Überschwemmungen bekannt. Eine volkswirtschaftlich orientierte Analyse, die auch den finanziellen Wert dieser Funktionen berücksichtigt, kann sehr wohl zu dem Schluss kommen, dass die Wiederherstellung von Feuchtgebieten tatsächlich die kosteneffektivere Lösung zur Erreichung eines guten Zustands darstellt.

Der Zeitplan für die Umsetzung

Der Nutzung ist also eindeutig beiderseitig - Natura 2000 profitiert nicht nur von den Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie, sondern kann auch Lösungen zur nachhaltigen Verwaltung der Wasserressourcen anbieten. Doch nun gilt es Farbe zu bekennen. Auf den ersten Blick verfügen die Mitgliedsstaaten über einen relativ bequemen Zeitrahmen, um bis 2015 einen guten Zustand für alle Gewässer innerhalb des EU-Gebietes herzustellen (s. u.). Doch sobald man sich die Komplexität der verschiedenen Sektoren, Verwaltungen, Organisationen u.s.w ... vor Augen führt, die in diesen Prozess eingebunden werden müssen, wird deutlich, dass die Umsetzung der Rahmenrichtlinie doch eine ehrgeizige Herausforderung ist. Jeder von uns sollte zum Gelingen dieses Ziels beitragen.

Quelle: NATURA 2000 der Europäischen Kommission (GD ENV.B2 v. April 2001).

Zusammenfassung der Zeitplanung zur Umsetzung dar Wasserrahmenrichtlinie

2003: Ausweisung der Flussgebietseinheit

2004: Analyse der Flussgebietseinheit

2006: Überwachung

2006-2008: öffentliche Anhörung

2009: Annahme des Bewirtschaftungsplans

Veröffentlichung des endgültigen Bewirtschaftungsplans für die FGE

2012: Umsetzung

Umsetzung der im Bewirtschaftungsplan vorgeschlagenen Maßnahmenprogramme

2013: Überarbeitung

Überarbeitung und ggf. Aktualisierung der Analyse des Einzugsgebietes, der Prüfung der Auswirkung menschlicher Tätigkeiten und der wirtschaftlichen Analyse der Wassernutzung

2015: Untersuchung der Auswirkungen

Untersuchung der Gründe des möglichen Scheiterns, wo Überwachungsdaten oder sonstige Daten ergeben haben, dass die Ziele der Richtlinie nicht erfüllt worden sind.

2015: Guter Zustand der Gewässer

2015 und anschließend alle sechs Jahre: 

Überarbeitung den Bewirtschaftungsplans, Überarbeitung und Aktualisierung des Bewirtschaftungsplans für das Einzugsgebiet.

 

WWF-Seminar zur Wasserrahmenrichtlinie

Mit Unterstützung der Europäischen Kommission hat der WWF drei Seminare zu Kernfragen der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie veranstaltet:

Das wichtigste Resultat wird ein Leitfaden sein. Darin werden Werkzeuge und Vorgehensweise vorgestellt, die den Flussgebietsbewirtschaftern bei der Erfüllung bestimmter Vorgaben der Rahmenrichtlinie helfen können. Dieses Dokument wird ab Oktober 2001 zur Verfügung stehen. Zwischenzeitlich können Informationen, einschließlich einer Zusammenfassung der Resultate der Seminare, auf folgender Web-Seite gefunden werden (nur in Englisch): http://www.wwffreshwater.org/seminars/seminars.html (Anmerkung der Redaktion: Link funktioniert nicht mehr)

 


Überarbeitet am: 30.07.01

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