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Quelle: www.kommunalfenster.de

19.10.00


Möglichkeiten der Manipulation bei Ausschreibungen

Es gibt sehr viele Bürger und auch Politiker gerade in den Kommunalparlamenten, die insbesondere bei der Vergabe von Bauleistungen Unregelmäßigkeiten vermuten und diese Vermutung in Fragen kleiden. Meist lautet die Antwort der vergebenden Stellen, dass ja alles ausgeschrieben wird und damit Manipulationen unmöglich sind. Viel zu schnell lassen sich in aller Regel die Zweifler damit abspeisen. Das Ausschreibungsverfahren an sich hat schon lange für die Insider den Schrecken des Nichtkalkulierbaren verloren. Allerdings gilt auch hier:

es hängt im wesentlichen von den handelnden Personen ab.

Es mutet schon eigenartig an, wenn z.B. Geschäftsführer einer Baufirma und Architekten gemeinsam durch zumindest zweifelhafte eidesstattliche Versicherungen die fristlose Kündigung einer Mitarbeiterin in der Firma ihres maßgeblichen Auftraggebers erwirken und nach erfolgter Kündigung die Aufträge nur so fließen. Im Arbeitsgerichtsprozess darauf angesprochen, erklärte einer der Geschäftsführer, es würde alles Rechtens sein, weil schließlich die Aufträge ausnahmslos über öffentliche Ausschreibungen vergeben werden. Kommunalfenster glaubt, nach Durchlesen dieser Seiten kann sich jeder ein eigenes Urteil hierzu erlauben.

Im übrigen war uns einer der oben genannten Architekten bei der Erarbeitung sehr hilfreich, der auf eine entsprechende Frage im Gerichtssaal einige Möglichkeiten der Beeinflussung des Ausschreibungsergebnisses durch die Ausschreibenden und Bieter nannte - selbstverständlich unter der Beteuerung, dass er selbst solche Dinge niemals tat und auch in Zukunft nicht machen wird. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Mitarbeiterin letztendlich in der Berufung den Arbeitsgerichtsprozess gewann und wieder eingestellt werden musste.

Um eine bessere Übersicht zu schaffen, haben wir das Ausschreibungsverfahren in drei Phasen unterteilt:

- Die Erarbeitung und Veröffentlichung der Ausschreibung
- Die Submission und Vergabe
- Auftragsabarbeitung und Gewährleistung

1. Erarbeitung und Veröffentlichung der Ausschreibung

Hier finden vorrangig Preis- und Leistungsabsprachen statt, in welche die auserkorene Firma, das Leistungsverzeichnis erstellende Architektur- oder Ingenieurbüro und häufig auch der Auftraggeber mit einbezogen sind. In unseren Ausführungen zum Absprachekartell München letzten Monat wurde dieses bereits in aller Vielschichtigkeit sichtbar. Konkret lassen sich 5 Modelle herausarbeiten:

- Überhöhte Kostenanschläge

Preislich überhöhte Kostenanschläge werden eingereicht, um Fördermittel der öffentlichen Hand oder auch Kredite zu erhalten. Die Differenz zwischen tatsächlichen Kosten und ausgereichten Finanzierungsmitteln nimmt man z.B., um andere, nicht genehmigte oder förder- und kreditunfähige Projekte finanzieren zu können, bei denen die Vergabe auch nicht mehr streng von den ausreichenden Kreditinstituten kontrolliert wird. Hier arbeiten Architektur- oder Ingenieurbüro und Auftraggeber Hand in Hand.

Doch immer häufiger werden auch die beauftragten Firmen mit " bedacht ", damit durch die Art und Weise der Rechnungslegung nicht doch noch irgendwann einmal die Zweckentfremdung der Gelder ans Tageslicht kommt.

Diese Art des Betruges letztendlich des Staates oder einer Bank ist schon so selbstverständlich geworden, dass selbst bei einer drohenden Insolvenz des Auftraggebers durch falsche Kalkulationen die verantwortlichen Geschäftsführer oder auch Mitglieder der eigentlich kontrollierenden Aufsichtsräte als Entlastung für sich auf diese Selbstverständlichkeit verweisen - das machen doch alle so!

- Die Wahl der Ausschreibungsart

Viele Bauleistungen werden freihändig vergeben oder nur beschränkt ausgeschrieben, obwohl die öffentliche Ausschreibung den absoluten Vorrang hat. Die Begründungen gleichen sich: keine Zeit, eine geringe Zahl ausführungsbereiter Firmen, Qualitätssicherung, weil man Leistungen der Firmen kennt.

Tritt dann doch einmal der Fall ein, dass nach Angebotseinholung oder bereits erfolgter beschränkter Ausschreibung das Prozedere in Form einer öffentlichen Ausschreibung zu wiederholen ist, so stellt der unbefangene Betrachter zumeist fest, dass die gebotenen Summen nicht unerheblich geringer geworden sind. Das allein unterstreicht den Vorrang der öffentlichen Ausschreibung. Immerhin ist es unser aller Geld, mit dem die öffentliche Hand hier wirtschaftet.

Allerdings kann bei den freihändigen Vergaben oder auch bei den beschränkten Ausschreibungen die Wahl des Auftragnehmers besser zielgerichtet beeinflusst werden. Hier ist auf jeden Fall der Auftraggeber mit beteiligt.

Vorsicht sollte immer dann geboten sein, wenn auf Nachfragen der Befragte nur auf die Vorteile der freihändigen Vergaben und beschränkten Ausschreibungen abstellt, nicht aber auf die der öffentlichen Ausschreibung!

- Preisabsprachen

Hier werden die Preise vor der Angebotsabgabe unter den bietenden Firmen abgesprochen. Der Auftraggeber muss nicht daran beteiligt sein. Die bietenden Firmen vereinbaren in aller Regel, wer in welchem Preissegment sein Angebot gestaltet und damit auch, wer den Auftrag bekommt. Vorteile für die anderen sind ebenfalls abgesprochen, bestehen zum Teil auch darin, dass sogenannte Rotationsprinzipien gelten; heute bin ich es und morgen Du.

Beispielsweise schrieb eine Wohnungsgesellschaft ihre Leistungen immer beschränkt unter denselben fünf Firmen aus. Diese waren sich einig und sicherten über die Preisabsprache die Vergabe an denjenigen, der am dringendsten den Auftrag brauchte und das natürlich auch zu einem garantiert gewinnträchtigen Preis. Jeder kam einmal an die Reihe und alle waren zufrieden - bis auf die Wohnungsgesellschaft, die ständig überhöhte Kosten zu begleichen hatte und ihre Mieter, welche diese über die Modernisierungsumlagen zumindest teilweise zu finanzieren hatten. Beide konnten nicht feststellen, dass sie übers Ohr gehauen wurden.

Der neuralgische Punkt besteht für die Auftraggeber darin, dass Preisabsprachen nicht nachzuweisen sind, es sei denn, einer der Beteiligten steigt aus und erzählt. Ansonsten gibt es nur zufällige Hinweise wie gleiche Handschrift, gleiche Preise oder Preisabstände, gleiche Daten der Angebotserstellung, die Angebote kommen mit demselben Boten ins Haus usw. Diese Kleinigkeiten gilt es zu beachten und ihnen die entsprechende Bedeutung zu geben.

Dazu bedarf es Mitarbeiter, die für dieses Problem sensibilisiert und natürlich persönlich integer sind. Sie können nicht wertvoll genug eingeschätzt werden.

- Im Leistungsverzeichnis werden Positionen aufgeführt, die nicht auszuführen sind

Hierüber wird meist nur ein Bieter aufgeklärt. Er hat dann die Möglichkeit, diese Positionen in seinem Angebot unter zu bewerten und die anderen dafür überhöht. Trotzdem kommt noch ein so günstiger Gesamtpreis dabei heraus, dass der Auftrag sicher ist. Zumeist empfiehlt das ausschreibende Architektur- oder Ingenieurbüro dem Auftraggeber, welche Firma den Zuschlag erhalten soll. Da normalerweise bei einer genaueren Prüfung die Unterbewertung einzelner Positionen auffallen müsste, muss es also mit dem auserkorenen Bieter gemeinsame Sache machen. Häufig genug zeigt ein Preisvergleich der tatsächlich auszuführenden Leistungen, dass diese Firma bei weitem nicht die günstigste war.

- Wiederholte Ausschreibung bereits ausgeführter Bauleistungen

Die Gefahr der Manipulation an dieser Stelle ergibt sich immer dann, wenn eine Leistung in mehrere Bauabschnitte aufgeteilt wird. Bereits im vorausgegangenen ausgeführte Arbeiten werden in der nachfolgenden Ausschreibung wieder abgefordert. Sie kommen nicht zur nochmaligen Ausführung, aber zur Rechnungslegung oder die Firma, welche diese Leistungen erbrachte, bewertet die entsprechenden Positionen unter und wird so günstigster Bieter ( siehe oben )

2. Submission und Vergabe

- Erhöhung des Angebotspreises nach Öffnung der Angebote

Hier müssen zumindest der günstigste Bieter und die für die Prüfung der Angebote zuständigen Personen zusammenarbeiten. Das Grundprinzip besteht darin, dass ein so geringer Preis angesetzt wird, dass der Zuschlag garantiert ist. Während der Prüfung der Angebote erfolgt dann eine Preiskorrektur nach oben bis kurz unterhalb des Preises des nächstniedrigen Bieters. Selbst unter offensichtlicher Verletzung der Verdingungsordnung für Bauleistungen ( VOB ) wird so vorgegangen:

1. Die Preise sind betriebswirtschaftlich nicht vertretbar. Da keine seriös kalkulierende Firma solche Angebote unterbreiten wird, ist der Zuschlag sicher. Nachträglich wird im Zuge der Prüfung das Angebot erhöht und bringt erst dann einen für das Unternehmen auskömmlichen Betrag. Hier liegt klar ein Verstoß gegen die VOB/ A vor. Nach § 25 Abs. 2 hätte dieses Angebot von vornherein ausgeschlossen werden müssen.

2. Ein anderes Verfahren liegt im Einbau von Rechenfehlern. Ein Angebot über eigentlich 100.000,- DM ergibt durch einen oder mehrere falsche Additionen nur einen Endwert von 85.000,- DM. Bei der Prüfung der Unterlagen stellt man dieses fest und übergibt dem Unternehmer die Unterlagen zur Korrektur. Da dieser Kenntnis über die Höhe des nächstliegenden Angebotes hat ( z.B. 95.000,- DM ), korrigiert er nicht den oder die Rechenfehler, sondern kann insgesamt seine Korrekturen so gestalten, dass er in jedem Fall immer unterhalb bleibt ( z.B. 94.000,- DM ).

Hier sollte also seitens der Auftraggeber oder Prüfungsorgane auf folgende Manipulationen geachtet werden:
- Korrektur von Rechenfehlern
- Radieren oder Überschreiben oder anderweitige Korrektur ursprünglicher Zahlen
- Auswechseln von Seiten ( manchmal an einer anderen Schrift erkennbar )

- Verringerung des Angebotspreises nach Submission

Auch hier müssen zumindest der Bauunternehmer und die für die Prüfung zuständige Stelle zusammenarbeiten, da ansonsten eine nachträgliche Verringerung des Angebotspreises eines weiter hinten liegenden Bieters derart, dass er günstigster Bieter wird, nicht möglich ist.

- Rücktritt des günstigsten Bieters

Hier muss die auftragvergebende Stelle mitmachen, denn bei Akzeptanz des Rücktritts liegt ebenfalls ein Verstoß gegen die VOB/ A vor. Kommunalfenster behauptet nicht, dass solche Rücktritte gezielt organisiert werden. Ab und zu eine richtig formulierte Bitte an der richtigen Stelle reicht vielleicht manchmal aus, damit der zweite Bieter zum Zuge kommen kann. Liegt der Dritte noch weit mit seinem Angebotspreis darüber, hat der jetzt günstigste Zweite häufig zusätzlich noch die Chance, sein Angebot zu erhöhen. Ist die bevorzugte Firma sogar selbst nur Dritter, wird ihr manchmal die Chance zu einer Verringerung und damit zur Auftragserlangung gegeben ( siehe oben ).

- Verkündung eines falschen Preises in der Submission

Nicht gerade wenige Auftraggeber verlassen sich darauf, dass Submissionen öffentlich, also im Beisein von Vertretern der bietenden Firmen erfolgen. Hier werden die Endsummen der Angebote verlesen, aufgeschrieben und von allen Anwesenden unterschrieben. Das hört sich so gut an, dass an nachträgliche Manipulationen keiner so recht glaubt. Doch auch hier gibt es Möglichkeiten, allerdings wieder nur im Zusammenwirken mehrerer Personen.

Das Angebot der auserwählten Firma wird als letztes verlesen. Zu dem Zeitpunkt sind die Preise aller anderen bereits bekannt. Der Verantwortliche verliest jetzt nicht den tatsächlichen Preis, sondern einen fiktiven, der knapp unterhalb von dem des bis dahin günstigsten Bieters liegt. Alle unterschreiben und gehen - bis auf den Vertreter der auserkorenen Firma. Er ändert noch an Ort und Stelle sein Angebot passend, manchmal werden sogar völlig neue Formulare ausgefüllt und die anderen unverzüglich vernichtet. In diesem Fall gibt es keine Beweise mehr für die erfolgte Manipulation.

- Preisverhandlung nach Submission

Diese sind unzulässig und es bedarf wieder des Zusammenwirkens zwischen Unternehmer und prüfender Stelle. Diese Preisverhandlungen haben nur ein Ziel - die gewünschte Firma soll günstigster Bieter werden.

3. Auftragsabarbeitung und Gewährleistung

Dieser Bereich ist der lukrativste für die Manipulationen, da hier das meiste Geld heraus zu holen ist.

- Nachtragsangebote sind bei den Baufirmen sehr beliebt.

Entspricht die der Ausschreibung zu Grunde liegende Leistungsbeschreibung nicht den Verhältnissen der Baumaßnahme, so können die beauftragten Firmen hierfür nachträglich Angebote unterbreiten. Nicht selten liegen diese oberhalb der in der Ausschreibung angegebenen Preise. Genau so häufig " vergessen " die mit der Prüfung beauftragten Personen den Vergleich mit den Ausschreibungspreisen.

Noch interessanter wird es, wenn die Leistungsbeschreibung bewusst mit Fehlern erarbeitet wurde und eine Firma darüber in Kenntnis gesetzt ist, dass es auf jeden Fall Nachträge geben wird. Diese Firma kann dann schon so kalkulieren, dass sie mit einem sehr günstigen Preis den Zuschlag erhält in der Gewissheit, sich das " fehlende " Geld später wieder herein zu holen.

- Eventualpositionen

Für diese Positionen wird erst nach der Vergabe bestimmt, ob und in welchem Umfang sie zur Ausführung gelangen. Sie sind in der Ausschreibung mit Einheitspreisen belegt, gehen aber nicht in die Bewertung des Ausschreibungspreises mit ein. Überhöhte Einheitspreise bringen schon eine beachtliche Mehreinnahme vor allem dann, wenn wiederum einer Firma vor Abgabe der Angebote bekannt ist, welche Positionen in größerem Umfang garantiert anfallen. Hier können dann die selteneren gezielt unterbewertet und die umfänglicheren überbewertet werden.

- Angebotene und abgerechnete Leistung stimmen nicht überein

Hier gibt es zwei Arten der Manipulation. Beide haben gemeinsam, dass nicht die angebotene Qualität und/ oder Quantität an Leistung erbracht, sondern eine minderwertigere oder weniger, aber abgerechnet wurde.

Ein Vermieter schreibt beispielsweise für eine Wohnanlage gehobeneren Standards den Einbau von teureren Acrylbadewannen aus. Statt dessen baut die beauftragte Firma aber nur einfache, wesentlich billigere Badewannen ein, stellt aber die teuren in Rechnung. Hier müssen wiederum mehrere Personen gemeinsame Sache machen, da ansonsten bei der Bauabnahme der Schwindel auffliegt.

Die erste Variante dieser Manipulation reicht bereits in die Phase der Ausschreibungserarbeitung zurück. Hier wird von vornherein mit den geringeren Preisen gerechnet, um den Auftrag überhaupt zu bekommen. Die Sanitärfirma in diesem Fall benötigt allerdings die Gewissheit, dass sie nicht zu einem Umbau gezwungen wird. Kann das ausgeschlossen werden, ist das Risiko gering. Entweder gehen die überhöhten Preise durch und es wird ein satter Extragewinn erzielt, oder die Rechnungen sind auf den tatsächlich eingebauten Zustand zu korrigieren - dann hatte man aber den Auftrag mit wahrscheinlich normaler Gewinnspanne.

Die zweite Variante dieser Manipulation erfolgt erst während der Bauzeit. Hier wird mit realen Preisen im Angebot gerechnet und später der Einbau minderwertigerer Produkte realisiert und abgerechnet.

- Abrechnung nicht ausgeführter Leistungen

Dieser Fall ist noch eine Steigerung der vorangegangenen. Hier werden Leistungen abgerechnet, die überhaupt nicht erbracht worden sind. Normalerweise müsste es den prüfenden Personen auffallen, allerdings nicht, wenn sie mit einbezogen sind oder einfach nur ihre Arbeit nicht verantwortungsbewusst erledigen.

- Auftragsvergabe statt Mängelrüge und Gewährleistung

Jetzt befinden wir uns schon in der Zeit nach erfolgter Fertigstellung. Auf die erbrachten Bauleistungen haben die Firmen mindestens 2, meist 5 Jahre Garantie zu geben. Mögliche Gewährleistungsansprüche der Bauherren, denen in dieser Zeit kostenlos entsprochen werden muss, werden jedoch durch diese nicht als solche deklariert. Im Gegenteil, ein nicht unerheblicher Teil wird wiederum als normaler Auftrag vergeben und die beauftragte Firma erhält Geld dafür. Auch wenn es nicht die ursprünglich Bauausführende war, so entsteht dieser ein geldwerter Vorteil, weil sie der Gewährleistungspflicht nicht nachkommen muss.

Soweit an dieser Stelle die Manipulationsmöglichkeiten bei Auftragsvergaben. Dass man dem nicht unbedingt ausgeliefert ist, können sie im alternativen Kommunalmanagement unter Maßnahmen zur Verminderung des Bestechungsrisikos bei Ausschreibungen nachlesen.

 


Bearbeitet am: 08.04.01

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