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Lutz Seifert
Lutz.Seifert@gmx.de

Anschluss- und Benutzungszwang darf auch mit einer Lüge begründet werden

9.8.02

 

Anschluss- und Benutzungszwang darf auch mit einer Lüge begründet werden

 

Jetzt ist es gerichtlich bestätigt, Städte und Gemeinden dürfen Anschluss- und Benutzungszwänge auch mit Lügen begründen. So wird der Anschluss- und Benutzungszwang an die zentrale Schmutzwasserkanalisation damit begründet, dass diese Maßnahme dem besonders hoch einzustufenden Allgemeininteresse dem Schutz der Volksgesundheit dient . Dies wäre lobenswert, denn der Schutz der Volksgesundheit ist ein wichtiger Aspekt und dem sollte grundsätzlich viel mehr Beachtung beigemessen werden. Dabei zeigen gerade die in letzter Zeit vermehrt aufgetretenen Lebensmittelskandale, wie lasch mit dem Schutz der Volksgesundheit umgegangen wird. Aber auch bei den zentralen Kläranlagen ist es nicht anders. Auch wenn der Anschluss- und Benutzungszwang bei der Abwasserkanalisation mit dem Schutz der Volksgesundheit gerechtfertigt wird, so wird auch hier sehr lasch damit umgegangen.

Das Umweltbundesamt warnt seit Jahren vor den Gefahren, die von den zentralen Kläranlagen ausgehen so unter anderem vor einer sprunghaft ansteigenden Antibiotikaresistenz in den Gewässern. Des weiteren wird vom Umweltbundesamt auf die Gefahren hingewiesen, welche von dem System des flächendeckenden Anschluss der Bevölkerung an Kanalisation und an Kläranlagen ausgeht. Dieses System ist ideal zur Ausbreitung von Stoffen geeignet, welche in den Kläranlagen nicht entfernt werden. Krankheitserreger, Antibiotikaresistenzen, Arzneimittelreste, hormonell wirkende Stoffe in kleinsten Konzentrationen, Umweltchemikalien sind Beispiele für solche Stoffe. Diese Stoffe sind, abgesehen von Umweltchemikalien, dadurch gekennzeichnet, dass sie sich grundsätzlich nicht vermeiden lassen, weil sie an menschliche Ausscheidungen gebunden sind und mit ihnen transportiert werden. Krankheitserreger mit Schwebstoffen assoziiert, werden in die Gewässer eingeleitet, wo sie entgegen landläufiger Meinung noch über große Entfernungen und Zeiten überlebens- und vermehrungsfähig bleiben.

Kläranlagen wirken als Sammelpunkte für antibiotikaresistente Bakterien der mitunter großen Abwassereinzugsgebiete und sorgen zugleich für deren beständigen Nachschub in der Umwelt. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass es in Kläranlagen, begünstigt durch die hohen Bakterienkonzentrationen, zum Austausch von Antibiotikaresistenzen zwischen verschiedenen Bakterien kommen kann. Dadurch ist es möglich, dass neue Kombinationen von Antibiotikaresistenzen entstehen, oder dass Antibiotikaresistenzen auf Bakterien übertragen werden, die bisher keine Resistenzen aufweisen.

Studien aus England zeigen, dass die Erkrankungsrate von Badenden in Fäkalbelasteten Freizeitgewässern wesentlich höher ist als man vorher angenommen hatte. Internationale wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass zentrale Kläranlagen Stoffe freisetzen, die wie weibliche Hormone (Östrogene) wirken. Diese Östrogene in der Umwelt bewirken, dass die männlichen Fische ‘verweiblichen’.

Das ganze geschieht, trotzdem im Paragraf 41 des Seuchenrechtsneuordnungsgesetz niedergeschrieben ist, das Abwasser so zu beseitigen ist, dass keine Gefahren für die menschliche Gesundheit ausgehen. Des weiteren steht in dem Paragraph, dass die infektionshygienische Überwachung durch die zuständige Behörde durchgeführt wird.

Durch hartnäckiges Nachfragen ist nun herausgekommen, dass im Landkreis Wolfenbüttel zur Zeit überhaupt keine zuständige Behörde bestimmt ist. Dabei ist das Infektionsschutzgesetz aber schon seit dem 20.06.2000 in kraft. Eine entsprechende Zuständigkeitsregelung soll jetzt aber in Vorbereitung sein, vielleicht weil durch die Nachfragen die Verwaltung  darauf aufmerksam gemacht wurde? 

Infektionshygienische Anforderungen werden an zentrale Kläranlagen aber zur Zeit nicht gestellt und da in Niedersachsen keine Rechtsverordnung zur Verhütung übertragbarer Krankheiten erlassen wurde bleibt der Paragraf 41 des Seuchenrechtsneuordnungsgesetzes ohne Beachtung. Zentrale Klärwerke dürfen also weiter ihr gesundheitsgefährdendes Wasser in die Flüsse leiten und Städte und Gemeinden dürfen die Bürger mittels Anschluss- und Benutzungszwang, welcher dem besonders hoch einzustufenden Allgemeininteresse dem Schutz der Volksgesundheit dient, zwingen sich an die zentrale Kanalisation anzuschließen.

Das Verwaltungsgericht in Braunschweig hat jetzt bestätigt, dass der Anschluss- und Benutzungszwang auch, wie in dem vorab beschrieben Fall beschrieben, rechtens ist. Der Anschluss- und Benutzungszwang darf also auch mit einer Lüge begründet werden.

Dabei muss berücksichtigt werden, dass der Kläger eine Anlage auf seinem Grundstück in Betrieb hat, welche das Schmutzwasser so reinigt, dass es anschließend den Anforderungen für Badegewässer genügt. Die zentrale Kläranlage der Samtgemeinde Schöppenstedt, an die der Grundstückseigentümer jetzt sich anschließen muss, erfüllt diese Anforderungen nicht.

Eine Nachfrage beim Gesundheitsamtes, wie die Gefahren die durch das Einleiten des Wassers der Kläranlage Schöppenstedt in die Altenau zu bewerten sind, erklärt der zuständige Amtsarzt, dass die mehrstufigen Abwasserbeseitigungsanlagen, wie z.B. jene in Schöppenstedt, bezüglich der Verbreitung von Krankheitserregern keine Rolle mehr spielen. Begründet wird diese Aussage damit, dass seit Mai 1989 keine entsprechenden Infektionskrankheiten bekannt geworden sind. Laut Aussage des selben Gesundheitsamtes liegen für die Altenau aber keine Messwerte vor. Diese Aussagen, nach Kenntnis der oben genannten Warnungen des Umweltbundesamtes, erinnern an die jahrelang wiederholte Aussage „Deutschland ist BSE frei“. Diese Aussage wurde gemacht, obwohl keine Untersuchungen getätigt wurden. Jeder weis, wie es heute ist, wo entsprechende Untersuchungen erfolgen. Genauso ist es hier beim Abwasser. Es wird behauptet, dass keine gesundheitlichen Gefahren existieren, ohne entsprechende Untersuchungen vorzunehmen und das obwohl das Bundesumweltamt wiederholt auf diese Gefahren hingewiesen hat. Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft und Küstenschutz sieht da die Dinge wohl realistischer. Auf Anfrage erklärte das Amt: ‚Da in die Altenau das gereinigte Wasser aus der Kläranlage Schöppenstedt eingeleitet wird kann jedoch mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass sich in der Altenau Krankheitserreger befinden.’ .

Diese genannten Fakten belegen, dass im Abwasserbereich doch einiges im Argen liegt und gipfelt in der gerichtlich bestätigten Zulässigkeit den Anschluss- und Benutzungszwang auch mit einer Lüge begründen zu dürfen. In was für einem Land leben wir eigentlich?


Letzte Aktualisierung: 09.08.02

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